Die Geschichte der französischen Sprache

„Eine Sprache kann sich im Laufe der Geschichte so weit verändern, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die ersten schriftlichen Spuren zu entziffern“ – Ferdinand Brunot, Historiker.

Die französische Sprache hat wie alle Sprachen unserer Erde im Laufe ihrer Geschichte so einige Wandel durchlaufen: Vom Mittelalter bis zum Aufkommen des Buchdrucks über die Renaissance und die Französische Revolution hat sich das sprachliche Erbe des Französischen unentwegt weiterentwickelt, angepasst und sich einiger Wörter anderer Sprachen bedient. Aber woher kommt die französische Sprache, wie wir sie heute kennen?

Lassen Sie uns auf Entdeckungsreise gehen und durch das 2020 erschienene Werk Histoire de la langue française von Jean Pruvost das Vermächtnis der französischen Sprache erkunden.

Indogermanische und arabische Einflüsse: Entlehnungen aus aller Welt

Vergessen wir nicht, dass das Französische eine Mischung aus drei Sprachen ist: dem Keltischen (die Sprache der Gallier), dem Lateinischen (die Sprache der Römer) und den germanischen Sprachen. Noch dazu zählt das Französische auch Sprachen des asiatischen Kontinents zu seinen Vorfahren: Das Indogermanische, das sich sowohl in Richtung Osten als auch in Richtung Westen ausgebreitet hat, hat sich gewandelt und (keltische, germanische, romanische …) Sprachen entstehen lassen, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben. Bei der Untersuchung dieser Sprachen konnten Linguisten Ähnlichkeiten zwischen dem Französischen und einigen indogermanischen Sprachen wie Russisch und Persisch feststellen. Doch es dauerte bis zum 17. Jahrhundert und der Entdeckung des Sanskrit, einer alten Sprache mit Ursprung in Indien, bis man erkannte, dass das Französische wie auch die meisten anderen europäischen Sprachen tatsächlich auf eine einzige Sprache, das Sanskrit, zurückgeht.

Werfen wir nun einen Blick auf die zahlreichen Entlehnungen des Französischen.

Gallisch

Beginnen wir bei „unseren Vorfahren, den Galliern“. Es gibt noch über einhundert gallische Wörter in der französischen Sprache. Cailloux und galets (Kieselsteine), dune (Düne), tonneau (Fass), mouton (Hammel) chemin (Weg)… Da die rund 15 Millionen Sprecher*innen der damaligen Zeit keine schriftlichen Nachweise hinterlassen haben, wurde die gallische Sprache mit Beginn der römischen Kolonialherrschaft, die über eine Schriftsprache verfügte, weitgehend geschwächt und verdrängt. Mit der Ankunft des Lateinischen, das vor allem eine Handels- und Verwaltungssprache war, verschwand das Gallische nach und nach.

Latein und Griechisch

Ab dem 2. Jh. v. Chr. strebte Rom nach einer gewissen kulturellen Einheit im eigenen Reich. Klassisches Latein wurde in der lokalen Elite gelehrt, die sich immer weiter von der lokalen Sprache entfernte, sodass eine Kluft zwischen den Bevölkerungsschichten entstand.

„Man kann eine Sprache nicht daran hindern, sich zu verändern. Das geschieht manchmal sogar sehr schnell, wenn die Sprecher dieser Sprache sie nicht aufschreiben: In diesem Fall ist die Sprache dynamisch und vielfältig, sowohl kreativ als auch schwer zu greifen, und manchmal sogar geradezu hermetisch verschlossen. Daher stammt der Wunsch derer, die für die Gemeinschaft verantwortlich sind, die Sprache zu standardisieren.

So ließ sich die französische Sprache immer stärker vom Lateinischen inspirieren, während das Gallische in Vergessenheit geriet. Von dem lateinischen Verb orare sind heute noch die Begriffe orateur (Redner), oratoire (Oratorium), oraison (veraltet für Rede; Gebet) übriggeblieben, aus dem Verb manducare hat sich später das Wort manger (essen) entwickelt, und aus hospitalem ist hôtel entstanden … Die unzähligen lateinischen Wurzeln des Französischen sind besonders leicht erkennbar, wenn man verwandte Sprachen wie Italienisch, Portugiesisch oder Spanisch studiert.

Man darf auch den starken Einfluss des Griechischen auf die Entwicklung des Französischen nicht verachten (etwa 10 % der heute gebräuchlichen Wörter sind griechischen Ursprungs). In der Informatik, der Botanik, der Philosophie und der Medizin ist die Verwendung griechischer Wurzeln allgegenwärtig: Viele französische Wörter werden mit einem griechischen Präfix oder Suffix gebildet (-age, -phobie, -pole usw.). Aus den griechischen Wurzeln sind übrigens auch zahlreiche Neologismen hervorgegangen (téléphone = Telefon, glyphosate = Glyphosat, gyropode = Segway usw.).

Die germanischen Sprachen und die Wikinger

Im 5. Jh. bereicherte die Ankunft der Franken und das Aufkommen der germanischen Sprachen das Französische um knapp tausend Wörter, hauptsächlich aus dem Vokabular, das für die Erzählung kriegerischer Heldentaten verwendet wurde (galoper = galoppieren, épier = spionieren oder auch hache = Axt). Der mit Festlichkeiten und Speisen verbundene Wortschatz erhielt ebenfalls einige Neuzugänge: loge (Loge), salle (Saal, Raum), gâteau (Kuchen), flan (eine Art Pudding) oder auch gaufre (Waffel).

Auch die mörderischen Eroberungen der Normannen auf französischem Boden erweiterten das französische Vokabular durch Begriffe wie vague (Welle), crique (kleine Buch) oder hune (Hüne).

Das weltweite Ansehen der französischen Sprache ist den zahlreichen Lehnwörtern zu verdanken, die das Englische – heute eine internationale Sprache – aus dem Französischen übernommen hat, und somit zu großen Teilen den Wikingern.

Luc de Williencourt, ehemaliger erster französischer Botschaftsrat in Dänemark.

Hebräisch und Arabisch

Die französische Sprache wurde auch um rund hundert Wörter aus verschiedenen Versionen der Bibel ergänzt. Hierzu zählen brouhaha (Trubel), amen (Amen) oder auch émissaire (Abgesandter). 

Nach dem Englischen und dem Italienischen stammen die meisten französischen Lehnwörter aus dem Arabischen, einer semitischen Sprache, die mit dem Hebräischen verwandt ist. Zu den rund 500 Wörtern, die das Französische aus dem Arabischen übernommen hat, gehören gehobene Wörter der Gelehrtensprache (alchimie = Alchimie, algèbre = Algebra, zénith = Zenit) und Begriffe rund um Fauna und Flora (gazelle = Gazelle, girafe = Giraffe, albatros = Albatros). Noch heute bedient sich das gesprochene Französisch zahlreicher arabischer Wörter wie beispielsweise bled (Dorf), méchoui (Fleisch am Spieß, Barbecue), toubib (Arzt) oder kif (eine pflanzliche Droge, kiffer bedeutet umgangssprachliche etwas sehr gut finden/etwas feiern). 

Von der Renaissance bis zur Revolution: zwei Jahrhunderte tiefgreifenden Wandels

„Im 16. Jahrhundert wird die Syntax, die Reihenfolge der Wörter im Satz (Subjekt, Verb, Objekt) maßgebend: Damit verlieren die Deklinationen immer mehr an Bedeutung. Die Lehre findet immer noch auf Latein statt, aber die Schriftsteller wünschen sich, dass das Französische die Dimension einer großen literarischen Sprache annimmt.

Am 10. August 1539 unterzeichnete François I. in Villers-Cotterêts einen Erlass, der für das gesamte Reich galt. Darin wurde gefordert, dass sämtliche Dokumente in französischer Sprache verfasst werden. Diese Bewegung wurde von den Dichtern der Pléiade wie Ronsard oder Du Bellay getragen, die als „Verteidiger der französischen Sprache“ galten und ihrerseits eine ganze Reihe Wörter erfanden, um das Französische zu bereichern.

Ab dem 17. Jahrhundert normalisierte sich die französische Sprache. In den Salons kamen Schriftsteller*innen zusammen und versuchten, der allgemeinen Realität zu entfliehen, indem sie sich für „Kostbarkeit“ einsetzten. Wörter aus der Alltagssprache und den Handwerksberufen sollten um jeden Preis vermieden werden … So entstand eine Abgrenzung zwischen „niederen“ Wörtern (Alltagssprache) und „edlen“ Wörtern, unter der die französische Sprache bis ins 19. Jahrhundert zu leiden haben sollte. Eine Fülle an neuen Wörtern und Neologismen, Umschreibungen und Metaphern entstand. Diese „Kostbarkeit“ trug zu einer Erneuerung der Literatur bei, die von Molière in seinem Stück Les Précieuses ridicules (Die lächerlichen Preziösen) heftig kritisiert wurde.

Genau zur gleichen Zeit hob sich die italienische Sprache hervor: Für die französischen Dichter*innen war das Italienische eine „faszinierende“ Sprache. Italienisch zu sprechen galt als angesehen, sich von italienischen Wörtern inspirieren zu lassen war sogar noch besser! Insgesamt wurden über 2000 Wörter aus der Sprache Dantes übernommen, insbesondere aus den semantischen Feldern des Meeres, der Mode und der Musik (concert = Konzert, veste = Jacke, opéra = Oper…).

Durch die Gründung der Académie française im Jahr 1635, sicher eines der einschneidendsten Ereignisse in der Geschichte der französischen Sprache, wurde die Sprache zu einer echten Staatsangelegenheit. Aus dieser neuen Institution gingen das Dictionnaire de l’Académie hervor, das die Bedeutung der Wörter festlegen sollte, sowie die Grammaire générale et raisonnée (Grammatik von Port-Royal), ein Werk, in dem die Grammatik als Ergebnis universaler Vernunft dargestellt wird. Mit einer inzwischen anerkannten Sprachgemeinschaft erwies sich die Notwendigkeit, Wörter zu codieren, als wichtiger denn je zuvor.

Nach den tiefgreifenden Reformen der Französischen Revolution wurde den Intellektuellen bewusst, dass nur etwa ein Viertel der Bevölkerung das offizielle Französisch sprach und Dialekte und Mundarten außerhalb der Großstädte die Norm waren. Der Nationalkonvent (das französische politische Regime von 1792 bis 1795) startete eine echte Offensive zugunsten einer Landessprache, wodurch die Mundarten mit der Zeit immer seltener wurden.

Die Epoche der Romantik: ein Französisch für alle

Das 19. Jahrhundert steht stellvertretend für wissenschaftliche Entdeckungen und die industrielle Revolution. In dieser Zeit entstand ein ganz neues Vokabular, insbesondere im Bereich der Transportmittel (tramway = Straßenbahn, wagon = Waggon, tunnel, rail = Schiene) und in der Medizin (homéopathie = Homöopathie, analgésique = schmerzlindernd/analgestisch…).

Die Epoche der Romantik ließ eine gewisse Feindseligkeit gegenüber den Einschränkungen der klassischen Sprache aufkommen. Gemeinsam mit Victor Hugo verteidigten die Schriftsteller dieser literarischen Bewegung das Recht auf Individualismus. So konnte ein Teil der Sprache „befreit“ werden, wie das Werk Notre Dame de Paris bezeugt. Der Roman widersetzt sich dem klassischen Stil und befürwortet eine bunte Sprache mit einem reichen Wortschatz und ohne Unterscheidung zwischen edlen und niederen Begriffen, mit der Absicht, die Sprache von dem starren Rahmen des Klassizismus zu befreien. „Wir müssen den Wörterbüchern die Jakobinermütze aufsetzen“, sagte Victor Hugo.

Zur damaligen Zeit entwickelte sich auch die Bildung weiter und förderte die Verbreitung der französischen Sprache, insbesondere mit der Einführung der Schulpflicht ab 12 Jahren im Jahr 1882. 

Das zeitgenössische Französisch des 20. und 21. Jahrhunderts

Zwei Weltkriege, auf die eine rasante Entwicklung neuer Technologien und eine fortschreitende Globalisierung folgten … Die beiden vergangenen Jahrhunderte waren reich an politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, aber auch sprachlichen Ereignissen.

Die Entwicklung der Medien, insbesondere von Kino, Werbung, Rundfunk- und Fernsehsendungen, ermöglichte die Verbreitung einer spontaneren, weniger stark abgeschotteten französischen Sprache. Die Presse und die Literatur von Queneau und Valéry förderten die lexikalische Kreativität und im weiteren Sinne die Befreiung der Schriftform.

Mitte des 20. Jahrhunderts sieht sich die französische Sprache mit dem Einfluss der anglo-amerikanischen Sprache konfrontiert: Die technologischen Fortschritte des elektronischen Zeitalters ließen ein neues Vokabular entstehen, um Produkte aus den Vereinigten Staaten zu bezeichnen. Die Lehnwörter sind zahlreich: Sie reichen von der Welt der Automobile (tanker, jeep, scooter) über die Unterhaltungs- und Informationswelt (hit-parade, star, show, live) bis zu den neuen Technologien (smartphone, playlist) und zur Geschäftswelt (business, brainstorming, manager, scalable). Einige Verfechter der französischen Sprache sind darüber höchst empört.

Haut Comité pour la Défense et l’Expansion de la Langue française (1966), Loi Bas-Lauriol (1975) oder auch Loi Toubon (1994): Es entstanden eine Vielzahl an Strukturen zur Verteidigung der französischen Sprache, die alle die Nutzung des Französischen im Alltag vorschreiben, um die Zunahme an Anglizismen einzudämmen.

Von einem linguistischen Standpunkt aus gesehen war das Millennium vor allem von der Sprache des Rap geprägt (und insbesondere der Kunstsprache „Verlan“), sowie von dem Wunsch, die Sprache zu vereinfachen (neue Rechtschreibung) und weniger geschlechtsspezifisch auszurichten (Feminisierung der Berufsbezeichnungen bis hin zur kürzlichen Debatte rund um die geschlechtergerechte Sprache).



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